25 Jahre AGON zurück  

Der Anfang

Albert-Schweitzer- Schule
Raum 11
jeden 1. Dienstag
im Monat
Beginn: 6. 2. 1979
311 Arbeitsgemeinschaft Ornithologie

Wir wollen in dieser Arbeitsgemeinschaft praktische Vogelkunde und Vogelschutz betreiben. Unsere Hauptaufgabe wird besonders interessant sein: Die Untersuchung der Brutbestandsentwicklung einiger Greifvogelarten. Greifvögel stehen an der Spitze von Nahrungsketten und sind damit besonders durch Umweltgifte gefährdet.
Unsere Ergebnisse werden in ein wissen-schaftliches Programm eingehen, das in Westfalen auf Probeflächen von insgesamt ca. 4.500 km² läuft.
Die Teilnehmer brauchen keine Vorkenntnisse mitzubringen, nur die nötige Begeisterung für die Sache und die Bereitschaft, in freier Natur mitzumachen - notfalls auch bei Wind und Wetter. Wir treffen uns an jedem ersten Dienstag im Monat zu einem Erfahrungsaustausch, dabei werden bisherige Ergebnisse besprochen und festgehalten und die weitere Vorgehens-weise abgestimmt.

Dieter Ackermann
Vor 25 Jahren: Das erste Programm

Am 28. und 29. Februar 1976 traf sich eine Gruppe Interessierter und Neugieriger zu einer von der VHS Schwerte ausgeschriebenen Fahrt ins niederländische Friesland. Abends in der Jugendherberge und am folgenden Sonntag bestand ausgiebig Gelegenheit zum Meinungsaustausch. Seitdem riss der Kontakt unter den wirklich Interessierten nicht mehr ab. Noch auf der Fahrt wurde beschlossen, unter dem Dach der VHS auf jeden Fall weiter zu machen.

So kam es noch im selben Jahr zu einer Vortragsreihe an vier Abenden "Vögel in unserer Umwelt", mit dem Ziel, weitere Gleichgesinnte zu finden. 1977/78 wurde die Reihe fortgesetzt, erweitert um vogelkundliche Exkursionen, eine Einführung in die Botanik und durch W. Träger in die Pilzkunde. Inzwischen wurde immer drängender der Wunsch laut, selbst etwas zu machen. Die VHS schlug die Form einer Arbeitsgemeinschaft vor - und so kam es am 6. Februar 1979 zum ersten Abend der Arbeitsgemeinschaft Ornithologie.

Gleichzeitig schlossen wir uns der Arbeitsgruppe Greifvögel der damaligen Westfälischen Ornithologen-Gesellschaft, heute NWO an. Das Projekt Greifvögel nahm uns zunächst voll in Anspruch. Schon im Winter 78/79 durchsuchten wir mit einem Aufwand von fast 400 Mannstunden Waldstücke nach Greifvogelhorsten in der topografischen Karte 1:25000 Schwerte.

Wie wir arbeiten

Zum Namen kam der Naturschutz hinzu, um auch nach außen zu zeigen, dass die Tätigkeit sich längst nicht mehr auf Vogelkunde und Vogelschutz beschränkt. Gerade der praktische Naturschutz hat sich im Laufe der Jahre als immer wichtiger erwiesen. Unseren Praktikern ist es auch zu verdanken, dass wir heute über eigene Flächen verfügen, auf denen Naturschutz auch experimentell betrieben werden kann, um vielleicht neue Wege zu finden. Um überhaupt bei Behörden gehört (wenn auch nicht erhört) zu werden, und weil nur Einigkeit stark macht, schloss sich die AGON schon bald nach der Gründung dem Deutschen Bund für Vogelschutz, heute Naturschutzbund Deutschland - NABU - an.

Die Bündelung der Kräfte für den Naturschutz in Schwerte sieht die AGON als ihre Hauptaufgabe an. Ansonsten herrscht Arbeitsteilung. Neue Mitglieder brachten immer wieder neue Interessensgebiete und neues Wissen ein, wovon alle profitierten und was letztlich dazu führte, dass wir als der kompetente Ansprechpartner in Sachen Natur und Naturschutz wahrgenommen werden. Bei so viel Arbeitsteilung ist es wichtig, dass der Kontakt untereinander erhalten bleibt. Das geschieht nicht nur bei größeren gemeinsamen Arbeitseinsätzen sondern vor allem bei den regelmäßigen Treffen am Dienstag Abend in vierzehntäglichem Abstand, die im Zeichen der Information, der Absprachen, der Wissensvermittlung stehen, wobei Spaß und Unterhaltung aber keinesfalls fehlen.

Wie geht es weiter?

Die Mehrzahl der Mitarbeiter sind Bürgerinnen und Bürger aus Schwerte. Der gute Ruf der AGON hat aber auch einige sehr tatkräftige Leute aus Dortmund und Holzwickede zur AGON geführt. Wie überall im sogenannten ehrenamtlichen Bereich ist das Durchschnittsalter relativ hoch, obwohl es glücklicherweise auch einige junge Leute zur AGON gezogen hat. Es bringt aber keinen Sinn, über den hohen Anteil Älterer zu klagen, man muss es als Chance begreifen. Durch die verbreiteten Vorruhestandsregelungen sind viele zum Naturschutz gekommen, die vorher keine Zeit dazu hatten. Besonders erfreulich ist der hohe Schatz an Erfahrung und Können, den sich die Firmen mit der Entlassung älterer Mitarbeiter haben entgehen lassen, der dem Naturschutz nun aber zugute kommt. So sieht die AGON, was den Bestand der Gruppe angeht, mit Zuversicht in die Zukunft.

Wo bleiben die jungen Leute?

Sicher, es wäre anzustreben, mehr junge Leute zum Naturschutz zu bekommen. Es hat auch nicht an guten Rezepten gefehlt. Frau Schmidt-Jodin von der Waldschule Cappenberg (LÖBF-Mitteilungen 2/2003) hat ausgemacht, woran es liegt, dass Jugendliche die Naturschutzorganisationen meiden:

"Kakigrün bekleidete Herren höheren Alters, ausgerüstet mit Fernglas und Kniebundhose, Gummistiefeln oder gar Birkenstock, Müsliriegel, Butterbrot und Thermoskanne, so ziehen sie missionarisch auf ihren Beobachtungsposten in ihr Naturschutzgebiet. Über viele Jahre lang erworbenes Wissen wird fachmännisch von sich gegeben, und sie wissen alles besser. Übrigens war früher alles viel besser. Neue Ideen? Nein Danke! Das funktioniert nicht! Man beschäftigt sich mit 100-Jahr Feiern und ehrt alte Mitstreiter. Ehrwürdige Hunderte von Jahren kommen zusammen und lauschen dem Artenschutzprogramm für das Haselhuhn. Diese Naturschutzaktivisten propagieren oft das Zurückliegende. Früher war alles viel besser. Da gab es noch Störche! Heute ist alles schlimm und ausnahmslos schlecht! Positives Denken und die Lust am Leben sind diesen Menschen bei der ersten Vogelstimmenexkursion abhanden gekommen. Die Jüngsten in den Naturschutzvereinen sind so um die Fünfzig und die Älteren kleben an ihren Vorstandspöstchen. Und jedes Jahr das Gleiche: Weihnachtsfeier, im Frühjahr Amphibienschutz und dann Sommerfest..."

Sind wir denn so mit Blindheit geschlagen, dass wir uns in diesem Spiegel gar nicht selbst erkennen? Aber so wenig Sinn es bringt, die von der Autorin vorgeschlagene Techno-Party mit anschließender Vogelstimmen-Exkursion anzubieten, so müßig ist es, zu versuchen, sich der Sprache der Jugendlichen zu bedienen. Wir würden uns nur lächerlich machen. An unserer "Vereinsstruktur" kann es auch nicht liegen. Gerade durch die Kursform der Volkshochschule ist eine Offenheit ohne Langzeitbindung gewährleistet. Die VHS sorgt sogar für eine kostenlose Mitgliedschaft.

Nebenan im Märkischen Kreis funktioniert die Jugendarbeit. Vielleicht liegt es an dem jungen engagierten NABU-Vorsitzenden. Auch bei uns in Schwerte gab es eine Jugendgruppe, der wir damals auch sehr gern Starthilfen gaben und die mehrere Projekte mit großem Elan anging. Doch dann waren plötzlich die Leiter zum Studium in alle Winde zerstreut. Die Gruppe löste sich auf. Leider! Vielleicht bildet sich mal wieder eine kleine junge Führungsgruppe, die den Neuaufbau in die Hände nimmt. Wir leisten gern Hilfe, aber wir verstehen auch, dass sich Jugendliche unter älteren Erwachsenen nicht wohl fühlen.

Gesellschaft im Wandel

Fünfzig Jahre Fernsehberieselung zeigen Wirkung. Natur wird immer weniger als Wert an sich, sondern als Unterhaltung wahrgenommen. Die Werbung wird nicht müde, uns immer wieder zu versichern, dass nur Kaufen glücklich macht. Neubauvorhaben werden freudig begrüßt ("Baukräne sollen sich drehen…", "Es wird wieder gebaut"). Der Naturschutz wird gern als Verhinderer hingestellt ("Stoppt Wachtelkönig den Autobahnbau?"). Bei der Erörterung des neuen Entwurfs zum Gebietsentwicklungsplan warf die Bezirksregierung den Naturschutzverbänden vor, sich schlecht verkauft zu haben. Sie hatten nämlich vor allem den neu geplanten enormen Freiflächenverbrauch kritisiert. Sie sollten sich aber mit hübschen Begrünungen der neu zu bebauenden Flächen einverstanden erklären.

Die Naturschutzverbände werden die gesellschaftlichen Entwicklungen hin zu kommerziellen Werten, zur Amerikanisierung der Sprache und Verhältnisse, zur Fun- und Ellenbogenmentalität nicht aufhalten können. Wir alle müssen uns darauf einstellen. Naturschutz ist nun mal aufs Bewahren und Erhalten ausgelegt, wenn man von den Anreicherungen in ausgeräumter Landschaft mal absieht. Aber auch das ist ja meist nur eine Wiederherstellung früherer Verhältnisse. So dürfen wir uns nicht wundern, als stockkonservativ und innovationsfeindlich zu gelten, wobei gerade diejenigen, die mit dem Verbrauch der Landschaft viel Geld verdienen, dieses Bild pflegen.

Zum Schwarzsehen besteht trotzdem kein Grund. Gesellschaftliche Strömungen können sich ebenso wie die Mode ändern. Ohne den hohen Stellenwert, den Natur und Umwelt in den achtziger Jahren hatten, sähe heute vieles schlechter aus. Hoffnung machen vor allem private Initiativen, in denen Bürger sich engagieren. Das Elsebad in Ergste und das Veranstaltungszentrum Rohrmeisterei in Schwerte sind positive Beispiele. Eine Bürgerinitiative kämpft gegen das geplante Baugebiet am Knapp in Ergste, eine andere gegen eine riesige Windkraftanlage. Anwohner in Dellwig protestieren gegen eine gedankenlose Radwegeführung. Das sind Ansätze, die hoffnungsvoll stimmen und die der Naturschutz unterstützen sollte. Mögen die Motive auch noch so unterschiedlich sein, gleiche Ziele erfordern eine Zusammenarbeit - zum Wohle von Landschaft, Natur und Menschen.

Wenn wir uns zum Fünfundzwanzigsten etwas wünschen dürften, dann ein stärkeres und frühzeitiges Einmischen der Bürger, wenn es um das Zubauen oder Verschandeln ihrer Erholungslandschaft geht. Warum müssen Tausende von Bürgerinnen und Bürgern ohnmächtig zusehen, weil ein paar Investoren mit der Landschaft Geld verdienen wollen?

Dieter Ackermann, im Februar 2004