| 
  
    | Giftpilze - Pilzgifte |  |  |  Seit es Menschen auf unserer Erde gibt, haben sie sich 
von den Früchten, die ihnen die Natur bot, ernährt. Im Laufe der Jahrhunderte 
hat der Mensch erkundet, welche der Früchte, auch Pilze, schmackhaft, ungenießbar 
oder gar giftig sind. Da bei Pilzen nur die Pilzfruchtkörper sichtbar sind, 
der eigentliche Pilz aber für das unbewaffnete menschliche Auge unsichtbar 
bleibt, waren sie früher, gebietsweise sogar heute noch, geheimnisumwittert. 
Im Altertum glaubte man, Pilze nähmen die Gifte aus ihrer Umgebung auf und 
würden dadurch erst giftig. Aus diesem Grunde hielt man zum Beispiel nur 
jene Pilze für eßbar, die unter Feigen- und Nadelbäumen wuchsen, 
während als giftig jene galten, die unter Buchen, Eichen und Zypressen wuchsen. 
Vor 900 Jahren urteilte die für ihre natur- und heilkundlichen Schriften 
berühmte Äbtissin Hildegard von Bingen über Pilze folgendermaßen: 
"Pilze, welche auf der Erde wachsen, sind dem Menschen nicht zuträglich, 
wohl aber solche, die auf stehenden oder liegenden Bäumen wachsen". 
Die erste Pilzvergiftung, von der berichtet wurde, ereignete sich vor etwa 2500 
Jahren. Damals soll der Athener Dichter Euripides durch ein Pilzgericht an einem 
Tag seine Frau, eine Tochter und zwei Söhne verloren haben.
 Man weiß, daß bei den Römern 
  Pilzgerichte sehr beliebt waren, auch, daß es zu Pilzvergiftungen kam, 
  wobei es sich nicht nur um Unglücksfälle handelte sondern manchmal 
  auch um verbrecherische Tücke, wie die antiken Historiker Tacitus und Suetonius 
  berichten. So wurde Kaiser Claudius im Jahre 54 von seiner Frau durch ein Pilzgericht 
  ermordet, damit ihr Sohn Nero den Thron besteigen konnte. Berichte vom Tod durch 
  Giftpilze gibt es meist nur über geschichtlich bedeutsame Persönlichkeiten: 
  1534 Papst Clemens VII, 1740 Kaiser Karl IV und nach 1908 die Witwe des Zaren 
  Alexis. Um 1256 gibt der Arzt und Bischof von 
  Regensburg, Albert der Große, als erster eine medizinische Beschreibung 
  einer Pilvergiftung. Völlig unklar bleibt aber die Pilzart, die die Vergiftung 
  verursacht hat. Manche der aus dem Mittelalter überlieferten 
  Anschauungen und falschen Vorstellungen haben sich zum Teil bis in die heutige 
  Zeit erhalten. Solche falschen Vorstellungen – unangenehmer Geruch oder Geschmack, 
  Verfärben des Pilzfleisches, Dunkelwerden einer mitgekochten Zwiebelscheibe 
  oder Anlaufen eines Silberlöffels im Pilzgericht deuten auf den Giftgehalt 
  des Pilzes – können eindeutig widerlegt werden. Auch Tierfraß am 
  Pilz besagt lediglich, daß der betreffende tierische Organismus imstande 
  ist, giftige Pilzinhaltsstoffe ohne Schaden aufzunehmen. Einzig und allein die 
  genaue Kenntnis der Pilzarten schützt vor Pilzvergiftungen.   Fast 90 Prozent aller tödlich 
  verlaufenden Pilzvergiftungen gehen auf das Konto der Giftstoffe der Knollenblätterpilze. 
  Die Giftigkeit des Grünen Knollenblätterpilzes (Abb. oben) ist seit 
  langem bekannt. Doch die chemische Analyse der einzelnen Giftstoffe und die 
  Darstellung ihrer Struktur gelang erst nach 1930. Es sind auch nicht nur Einzelgifte 
  sondern ganze Giftgruppen, die in Knollenblätterpilzen vorkommen. Da sind 
  die Amatoxine mit neun Einzelgiftstoffen, die Phallotoxine mit sieben Einzelgiften 
  und die Virotoxine mit sechs Einzelgiften (Abb. unten). Diese erste Giftpilzgruppe verursacht eine schwere Leberschädigung. 
  Nach acht bis vierzig Stunden Latenzzeit treten die ersten Vergiftungserscheinungen 
  auf. Zu dieser Giftpilzgruppe gehören: 
  der Grüne Knollenblätterpilz , der Frühlingsknollenblätterpilz,der kegelhütige Knollenblätterpilz,der Gifthäubling,der Gewächshaus-Häubling, der Fleischrosa Giftschirmling,
    
    
       
        | Grüner Knollenblätterpilz | der Fleischbräunliche Giftschirmling, der Gewächshaus-Giftschirmling unddie Glockenschüpplinge. 
    
 Eine zweite Giftpilzgruppe schädigt mit ihrem Giftstoff Orellanin die Nieren, hat eine lange Latenzzeit, zwei Tage bis zwei, manchmal drei Wochen und ist tödlich giftig. Zu dieser Pilzgruppe gehören: 
  der Orangefuchsige Rauhkopf,der Spitzkegelige Rauhkopf,der Goldgelbe Rauhkopf,der Prächtige Klumpfuß undandere Schleierlinge. Die dritte Giftpilzgruppe verursacht Störungen des Magen-Darmtraktes. Nach einer meist kurzen Latenzzeit von einer Viertelstunde bis zu zwei, manchmal vier Stunden kommt es zu Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Bauchschmerzen. In schweren Fällen treten Muskelkrämpfe, Kreislaufstörungen, Schweißausbrüche und Angstzustände auf. Nach ein bis zwei Tagen klingen die Symptome ohne Nachwirkungen ab. Zu dieser Pilgruppe gehören: 
  der Karbol-Egerling,der Perlhuhn-Egerling,der Blut-Hautkopf,der Riesen-Rötling,der Tonblasse Fälbling,der Kegelige Saftling,der Grünblättrige Schwefelkopf,der Garten-Riesenschirmling,der Breitblättrige Holzrübling,der Ölbaumpilz,der Tiger-Ritterlingder Bruch-Reizker,der Spei-Täubling,alle scharf und bitter schmeckenden Täublinge,der Satanspilz,die Schöne Koralle,die Bauchweh-Koralle,der Kartoffel-Bovist undfast alle Pilze bei Rohgenuß Die vierte Giftpilzgruppe verursacht Rauschzustände, ist also nervengiftig. Die Latenzzeit ist kurz, nur eine Viertelstunde bis zu zwei, manchmal acht Stunden. Zu dieser Gruppe gehören: 
  der Spitzkegelige Kahlkopf,ein Glockenschüppling,der Blauende Düngerling undkleine Träuschlinge Die fünfte Giftpilzgruppe beinhaltet die Giftgruppen eins und zwei. Sie ist leber- und nierengiftig. Die Latenzzeit beträgt zwei bis zwölf, manchmal vierundzwanzig Stunden. Zu dieser Pilzgruppe gehören: 
  die Frühjahrslorchel undder Kronen-Becherling Die sechste Giftpilzgruppe beinhaltet die Giftgruppen drei und vier. Sie ist magen-, darm- und nervengiftig. Die Latenzzeit liegt zwischen zwanzig Minuten und zwei Stunden, manchmal bis zu acht Stunden. Zu dieser Pilzgruppe gehören: 
  der Fliegenpilz,giftige Trichterlinge,der Königs-Fliegenpilz,fast alle Rißpilze,der Pantherpilz,Rettich-Helmlinge undder Narzissengelbe Wulstling. Des weiteren kann es noch zu unechten Pilzvergiftungen kommen. Auch diese Vergiftungen können einen tödlichen Ausgang haben und dürfen unter keinen Umständen verharmlost werden. Sie können ausgelöst werden: durch Alkoholgenuß bei der Pilzmahlzeit, durch übermäßigen Genuß, durch eine Allergie gegen Pilze, durch verdorbene Pilze, durch eine Unverträglichkeit und durch rohe Pilze. In den letzten Jahren sorgten Berichte über toxische Schwermetalle in Speisepilzen für Schlagzeilen. Da vor allem Blei, Cadmium und Quecksilber von erheblicher toxikologischer Bedeutung sind, ist das Verhalten der Pilze gegenüber diesen drei Metallen besonders ausführlich untersucht worden. Blei gehört zu den Elementen, zwar aufgenommen aber nicht angereichert werden. Das heißt, hohe Bleikonzentrationen werden nur an belasteten Standorten zu erwarten sein wie an Schnellstraßen und Autobahnen. Obwohl heute nur noch bleifreies Benzin getankt wird, ist der Boden dort immer noch mit Blei angereichert. Anders sieht es bei Quecksilber und Cadmium aus. Beide Metalle können in zum Teil erheblichem Ausmaß – bis zu dreihundertfach im Pilzfruchtkörper angereichert werden. Im wesentlichen sind es die gilbenden Champignonarten, Steinpilz, Perlpilz, Parasol und eine große Zahl von Pilzen der Humus- und Streuschicht, die diese unrühmlichen Fähigkeiten besitzen. Pilze von belasteten Standorten – dazu gehören Straßenränder, Stadtzentren, die Umgebung von Bergwerken, von Metallhütten und Müllverbrennungsanlagen – sollten nicht für Speisezwecke Verwendung finden. Willibald Träger 
 Literatur: 
  Bresinsky / Besl (1985): GiftpilzeGerhardt, E. (1984): Pilze (Band I) |