Im Garten

Nach so langer Vorrede wollen wir aber nun den Praxistest machen, zunächst mal im eigenen Garten. Der liegt uns schließlich am nächsten. So klein unser Reihenhausgarten auch ist, Platz für einen Gartenteich (ohne Fische), eine Vogeltränke, eine Hecke, eine Hängebirke, eine Eberesche, ein paar Gemüsebeete, Blumen und den obligatorischen Rasen ist allemal da. Damit sind auch schon die Hauptmotivgruppen klar, nämlich Blumen, Kleintiere am Gartenteich und Gartenvögel. Wenn Sie auf die Bilder klicken, können Sie sie vergrößert sehen.

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Nach langem Winter, der hauptsächlich Grau- und Weißtöne im Angebot hat, freut sich der Fotograf auf das erste frische Grün. Die sattgrünen Triebe der Schneeglöckchen werden, wenn auch die Blüten noch geschlossen sind, dankbar begrüßt – vor allem wenn sie als Kontrast vor einem alten, verwitterten Baumstumpf sehen. Das schräge Streiflicht unterstreicht noch die Struktur des verwitterten Holzes. Das Bild wurde mit der FZ200 bei Blende 2,8 und 100 ISO aufgenommen. Die 1/1300 Sekunde hätte leicht aus der Hand fotografiert werden können. Das Stativ zwingt aber zu einem bewussten Bildaufbau. Bei der Staffelung der Blüten in der Tiefe hätte eine SLR-Kamera schon gehörig abgeblendet werden müssen.
 

Erst einige Tage später fiel mir morgens bei noch tief stehender Sonne auf, dass eine andere Gruppe von Schneeglöckchen als fast schwarze Schattenrisse noch einmal dahinter auf einem alten Findling abgebildet wurde. Bei solchen sicher sehr reizvollen Motiven heißt es allerdings aufpassen. Zu leicht werden aus den weißen Blüten in der blendenden Sonne einfach nur weiße Kleckse ohne Durchzeichnung. Also gleich, bevor die Kamera noch vom Stativ genommen wird, das Ergebnis ansehen und notfalls knapper belichten. Tipp: Belichtungsreihe mit einem knapp belichteten, einem unter- und einem überbelichteten Bild machen. Viele Kameras machen das bei entsprechender Einstellung automatisch. Aufnahme mit FZ200, 190mm, f 2,8, 1/2000 s, -0,7 EV, ISO 100.

Bei fast allen Kameras lässt sich ein kleines Histogramm einblenden. Darin ist ein zackiges „Gebirge“ zu sehen. Links liegen die dunklen Töne und rechts die hellen. Im Idealfall füllt diese Zeichnung das Histogrammfeld von links nach rechts gerade aus. Lehnt sich die Kurve an den rechten Rand, droht Überbelichtung mit ausgefressenen Lichtern. Berührt sie den linken Rand, lässt sich das Bild meist durch Nacharbeit gut retten. Das abgebildete Histogramm zeigt die Helligkeitsverteilung im zweiten Schneeglöckchenbild mit gewollter Unterbelichtung – und das aus zwei Gründen: Die weißen Blütenblätter sollten Durchzeichnung behalten und die Schatten möglichst dunkel werden. Die Bilder darüber und darunter sind dagegen stellenweise überbelichtet, was wegen der kleinen ausgefressenen Flächen kaum stört. So haben aber beide ausgewogenen Kontrast und Gesamthelligkeit.

Rings um den Gartenteich setzte sich Anfang Juni immer wieder eine Vierfleck-Libelle auf exponierte Stängel. Von einer Stelle aus spiegelten sich allerdings die hinter dem Teich stehenden Staudenmohnblüten im Wasser. Also legte ich einen Bambusstab, der im Hauptberuf die Wäscheleine stützen soll, schräg über die Wasserfläche. Nach einer Weile war die Libelle so nett und setzte sich genau darauf. Der Bambusstab führt als Diagonale zum Hauptmotiv, der Libelle. Die Mohnblüte in der Fortführung der Diagonale dient als dezent unscharfes und auch farblich nicht aufdringliches Gegengewicht. Gegen die spiegelnde Sonne auf dem Bambusstab hätte vielleicht ein Polfilter geholfen. Dann wären aber leider auch die Spitzlichter auf den Flügeln und die Mohnspiegelung verschwunden. FZ50, 200 mm, f 5,6, 1/320 s, ISO 100.

   
Libellen üben gern die Ansitzjagd aus. Ihre Beute besteht hauptsächlich aus Fliegen und anderen Insekten ähnlicher Größe. Es ist kaum zu glauben - aber manche Leute haben immer noch Angst vor Libellen. Aus der Kinderzeit kennt man ja noch den dummen Spruch, dass sieben Libellenstiche ein Pferd töten. Es gibt hier aber keine Libellen, die stechen können. Sie packen ihre Beute mit den Kieferzangen, Gift haben sie nicht. Da das Fotografieren auf dem Ansitzpunkt keine Eile erfordert, kann man sich auch auf den Hintergrund konzentrieren. Ein aufgelöster Hintergrund (neudeutsch "Bokeh") hilft, das Objekt gut frei zu stellen. Das gelingt mit der Bridge am besten mit der längsten Tele-Einstellung. Die Farbflecken stammen von Blumen. Aufnahme mit FZ200, 600 mm, f 2,8, 1/640 s, ISO 100
   

Als das Telefon klingelte, meldete sich ein Kindergarten. Ein kleiner Junge hatte unter einer Hecke einen Nachtfalter gefunden und ganz vorsichtig ins Büro gebracht. In der kleinen Kinderhand sah er wirklich sehr groß aus. Wir nahmen ihn mit in den Garten. Nach dem Bestimmungsbuch war es ein relativ seltenes Abendpfauenauge. Wir setzten es auf unseren Totholzhaufen und hofften, dass der Falter die Flügel mal ausbreitete, denn nur so ließ sich die schöne Hinterflügelzeichnung sehen. Er saß aber wie angewachsen. Seine braungemusterten Vorderflügel tarnten ihn so perfekt, dass wir immer wieder genau hinsehen mussten. Erst als es dunkel wurde, kam Leben in ihn. Er zitterte sich warm, breitete die Flügel aus und weg war er. Den Moment konnte ich nur mit Blitz erwischen. Aufnahme mit FZ50, 57 mm, f 4, 1/30 s, ISO 100, Blitz

   
Im Frühjahr kommen die Molche aus ihren Winterverstecken. Im Herbst ist es umgekehrt, es wird an allen möglichen und unmöglichen Stellen ein warmes Plätzchen für die kalte Jahreszeit gesucht. Dann müssen wir immer aufpassen, dass wir vor der Haustür keins der Tierchen tot treten. Durch den Schlitz unter der Tür strömt etwas warme Luft nach außen, was sie offenbar unwiderstehlich anzieht. Im Frühjahr und Sommer verbringen vor allem die erwachsenen und geschlechtsreifen Molche die Laichzeit im Wasser. Dann ist der Gartenteich der Anziehungspunkt. Aufnahme des Bergmolches aufgelegt mit FZ50 und Nahlinse Raynox M-150, 60 mm, f 3,2, 1/40 s, ISO100. Der Bogen des Körpers führt vom unscharfen Schwanz zum Kopf, wobei die Schärfe auf dem Auge liegen soll. Das Gegengewicht bildet das verschlungene "Bäumchen" der braunen Moos-Sporenkapseln.
   
In Nachbars Garten steht eine hohe Rotbuche, deren Zweige bis in unseren Garten reichen. Im zeitigen Frühjahr saßen manchmal einige Grünfinken im Wipfel. Später, im April sang in den Zweigen die Klappergrasmücke (Kennzeichen grauer Kopf, weiße Kehle). Beide Arten sind rar geworden. Letztere gehört zu den Weitziehern, die gerade auf dem Zug durch illegalen Vogelfang und sich ausbreitende Wüsten besonderen Gefahren ausgesetzt sind. In den letzten Jahren fehlt sie in unserem Garten. Aber wenn wir die Bilder sehen, können wir uns ihren klappernden Gesang immer wieder gut vorstellen. Aufnahme freihand mit FZ50 und Telekonverter LT55, 700 mm, f 6,3, 1/500 s, ISO 100. Der Zweig bildet eine nicht ganz perfekte Diagonale. Nicht nur die mit gesträubtem Kehlgefieder singende Grasmücke, auch die Buchenknospen als Gegengewicht zeigen den Frühling.
   
Lust und Stress bringt der Frühling für die Vögel - auch für die wenig beliebte Elster. Jetzt müssen Zweige vom Männchen gesammelt werden, während das Weibchen baut. Konkurrenten wie Rabenkrähen oder auch andere Elstern sind auf Abstand zu halten. Sind die Eier gelegt, muss das Männchen sich selbst und die Partnerin versorgen. Später haben beide Partner genug mit der Nahrungsbeschaffung fürs Jungvolk zu tun. Dabei wird eben auch manch eine noch nicht flugfähige Jungamsel verfüttert, was den Amselbestand nicht wirklich reduziert. Der Einfluss der Elstern auf Kleinvögel wird oft sehr überschätzt. Dass ein Elsternpaar auf der Nordostseite unseres Hauses in einer Buche ein Nest baute, war fotografisch gesehen ein Glücksfall. Aufnahme aufgelegt aus dem Dachfenster mit FZ50, Telekonverter, 700 mm, f 5,6, 1/400 s, ISO 100. Die Form der Zweige regte zu zentraler Bildgestaltung an.
   
Richtig grimmig blickt sie, die Blaumeise. Möglicherweise ist sie zornig, bestimmt aber nicht ängstlich. Dann hätte sie ihr Gefieder ganz eng angelegt. Meisen gehören sicher zu den beliebtesten Anfängermotiven. Sie sind die Höhlenbrüter in unseren Gärten, wobei ihnen beileibe längst nicht alle Nistkästen gut genug sind. Ein Blaumeisenpaar hatte es sich in den Kopf gesetzt, in unserem Rollladenkasten ein Nest zu bauen. Das Zustopfen des Schlitzes zwischen Rollladen und Wand nützte nichts. Am zweiten Tag hatte sie schon ein Loch erweitert und flog wieder ein und aus. Erst ein Nistkasten direkt neben dem Fenster löste das Problem. Es ist also oft nicht der Kasten selbst, sondern der Ort, der gefällt oder nicht gefällt. Aufnahme aufgelegt mit FZ50, Telekonverter, 600 mm, f 5,6, 1/400 s, ISO 100. Hier wieder ein diagonaler Bildaufbau. Besser wäre mehr Platz in Blickrichtung des Vogels gewesen.
   
Der Grünspecht gehört zu unseren liebsten Vögeln im Garten. Wer ihn entdeckt, bringt sofort alles durcheinander. Wo ist die Kamera? Schnell den Konverter aufschrauben und gaaanz vorsichtig ein Fenster einen Spalt breit öffnen. Zur Not geht es auch durch die Fensterscheibe, je schräger desto schlechter. Meist ist er natürlich im Rasen beschäftigt, gräbt Ameisen aus und vertikutiert - leider nur stellenweise - den Rasen. Nur einmal bisher setzte er sich ans Blumenhochbeet , so dass sein praktischer Stützschwanz mit den recht abgenutzten Federn gut zu sehen war. Erstaunlicherweise kommt er aber auch ohne Schwanz bis zur nächsten Mauser ganz gut zurecht. Grünspecht-Weibchen fotografiert mit FZ50 aufgelegt, mit Telekonverter, 700 mm, f 3,7, 1/80 s, ISO 100. Etwas ungünstig: Die hellen Blumen ziehen erst das Auge an und stehlen dem dezent gekleideten Specht zunächst die Schau.