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Natur in Schwerte, Flächensicherung tut not

Uferschwalben (Foto AGON/Ackermann)Wie kommt man eigentlich zum Naturschutz? Manchmal einfach durch finsteren Zorn! Man stelle sich vor: Da wird von Amts wegen mit einer beispiellosen Kaltschnäuzigkeit eine große Uferschwalbenkolonie am Ruhrufer planiert. Niemand protestiert, niemand nimmt Notiz, niemand kümmert sich. Später in Gesprächen Schulterzucken, aufrichtiges Bedauern, leider keine Zuständigkeit. Briefe werden nicht beantwortet. Man versteht nicht, oder will nicht verstehen.

Szenenwechsel: Ergste, Bierstraße. Planierraupen rücken an, kriechen hinauf bis oben zum Teich am Waldrand. Dreckige Lastwagen kippen Bauaushub ab, und während stinkender Dieselqualm (steuerbegünstigt und gesund) den Wald einhüllt, schieben die Raupen den Teich zu. Die Zeitung recherchiert, berichtet. Leserbriefe erscheinen, protestierend, wütend, enttäuscht. Und dann ungläubiges Staunen: Die Untere Landschaftsbehörde hat die Aktion genehmigt! Das darf doch nicht wahr sein! Doch - tatsächlich - sie hat.

Zwei kleine Beispiele nur, aber zwei Beispiele, die etwas vom Stellenwert erkennen lassen, den Natur und Umwelt in den siebziger Jahren in Schwerte (und anderswo) hatten. Inzwischen hat sich etwas bewegt. Die Öffentlichkeit ist wacher geworden, einige Politiker auch. Die Stadt Schwerte bekam einen Umweltbeauftragten, mit wenig Kompetenzen, aber immerhin. Eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme mit wirkungsvoller Betreuung repariert Umweltschäden, kümmert sich, hilft, wo sie kann. Die Untere Landschaftsbehörde beim Kreis, nun eingebettet in ein neugeschaffenes Umweltamt, personell und fachlich verstärkt, sorgte für manche Schlagzeilen, meist im positiven Sinne.

Na endlich, Ziel erreicht - Natur gerettet? Bei so viel gutem Willen in einigen Amtsstuben sollten wir uns doch aufatmend zurücklehnen können. Leider lehren uns die Roten Listen, dass der Zustand der Natur sich mit rapidem Tempo verschlechtert. Das hat sicher mehrere Gründe, die sich vor allem auf die Landschaftsnutzung und den Landschaftsverbrauch zurückführen lassen. Ein besonderes Problem sind die Landschaftsverbraucher, die mit der Landschaft umgehen, als wäre es eine Ware aus dem Supermarkt, beliebig nachlieferbar, wenn die Nachfrage steigt: Ein neuer Sportplatz am Bürenbrucher Weg, Bebauungsplan Holzen-Rosen, neue Tennisplätze in Villigst, Bebauungsplan Wandhofer Bruch, Bebauungsplan hier, Bebauungsplan dort. Inertstoffdeponie am Wannebach, Inertstoffdeponie Römerstraße, Erschließungsstraße zur Binnerheide und schon wieder der Ruf nach neuen Gewerbeflächen. Und der Umweltausschuss wirkt bei der Begrünung mit.

Glaubt man denn tatsächlich, das könnte bis zum jüngsten Tag so weitergehen? Wenn es nur ein auf Schwerte begrenztes Problem wäre - aber Schwerte scheint im Trend zu schwimmen. Einhundertzwanzig Hektar Landschaft verschwinden in der Bundesrepublik täglich unter Asphalt und Beton, unter Verbundpflaster und Zierrasen. Diesen Landschaftsverbrauch kann kein Naturschutzverband und schon gar keine AGON Schwerte stoppen. Aber bremsen könnten unsere verantwortlichen Politiker im Stadtrat - wenn sie es wollen! Nur - Landschaftsverbrauch resultiert häufig aus wirtschaftlichen Interessen, und der Markt hat eben seine eigenen Gesetzmäßigkeiten. Richtig - Gesetze oder Änderungen bestehender Rechtsvorschriften sind unbedingt nötig, um den hemmungslosen Landschaftskonsum zu stoppen, aber muss man darauf warten? Kann eine Stadt nicht auch Flächen sichern und renaturieren statt nur zu verbrauchen? Vielleicht als "Koppelgeschäft": Je Hektar Verbrauch ein Hektar Renaturierung an anderer Stelle.

Im letzten Juli erreichte uns die Kunde, dass ein Schwerter Landwirt sich zur Ruhe setzen möchte. Ja, ließ er uns wissen, er sei auch bereit, einen Teil seines Landes für Naturschutzzwecke zu verpachten. Das war eine Chance, die es zu nutzen galt. Die Naturförderungsanstalt erklärte sich auf unseren Antrag hin bereit, das Gelände für uns anzupachten, und, was uns ebenso freute, die Ortsverbände zweier Parteien signalisierten auf unsere Anfrage spontan, dass sie uns im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten bei einer derartigen Flächensicherung unterstützen wollen. Nun kann man zwar mit einem relativ kleinen Gebiet keine ökologischen Wunder wirken, aber wir möchten zeigen, wie man vorgehen kann, damit sich punktuell wieder natürliche Lebensgemeinschaften einstellen. Vielleicht können wir damit ein Zeichen setzen, vielleicht zu ähnlichem Tun anregen. Denn eins dürfte sicher sein: Wenn unsere Umwelt, unsere Landschaft und Natur als Lebensgrundlage erhalten werden soll, wird man um umfangreiche Flächenrenaturierungen nicht herumkommen.

Dieter Ackermann, im Februar 1989


Mahnung

Erhaltet uns die Frühlingsluft der Wälder,
den Grummetduft, der über Wiesen liegt,
den würzig-süßen Ernteduft der Felder,
die Dürrlaubluft, die mit dem Herbstwind fliegt.

Erhaltet uns den saub'ren Schnee im Winter,
der Sommerblumen bunte Farbenpracht,
das unbeschwerte Lachen uns'rer Kinder,
den guten Willen, der den Frieden macht.

Bernd Cibis